Samstag, 3. Oktober 2009

Wie neu sind denn eigentlich "neue Medien"?



Frank Hartmann schreibt in seinem Buch Multimedia: "Medien können nicht nur unsere Sinnestätigkeit verstärken und erweitern, sie formen auch unsere Wirklichkeitsverhältnisse. Es ist also anzunehmen, dass die neuen Medien uns nicht die "Wirklichkeit" verstellen, sondern diese erschliessen, indem sie uns Erfahrungswelten öffnen (McLuhan, 1964).
Beim Lesen dieser Zeilen erscheinen plötzlich Fragezeichen vor meinen Augen. Der Ausdruck "neue Medien" in Verbindung mit der Jahreszahl 1964 lässt mich stutzig werden und...wer war denn eigentlich dieser McLuhan? Der Literaturnachweis im hinteren Teil des Buches verrät mir nur, dass der Titel des Buches "Understanding Media: The Extensions of Man" lautet. Also schau ich im Internet nach, Wikipedia bietet sich ja an. Ich erfahre, dass dieses medientheoretische Buch Marshall McLuhans eines der ersten seiner Art war und die Auswirkungen der Globalisierung auf lokale Kulturen behandelt. Er analysiert darin die 1964 bekannten Medien. Auch in diesem Wikipedia Artikel wird wieder der Begriff "neue Medien" verwendet. Seit fast drei Wochen höre ich schon unentwegt den Begriff "neue Medien". Wie selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten wie z. B. Infortmationserfassung, Informationsspeicherung Informationsbearbeitung, Informationsübermittlung und Informationsabruf gemeint sind; dass dieser Begriff aber Zeit bezogen, also damals schon für das Radio verwendet wurde, kam mir nun wirklich nicht in den Sinn.
McLuhan konnte vielleicht damals davon ausgehen, dass die bis dahin bekannten "neuen Medien" uns die Wirklichkeit nicht verstellen, aber kann denn heute nur noch davon ausgegangen werden?
Wie steht es denn mit sozialer Isolation aufgrund dieser "neuen Medien"? Dem Verdrängen von Realität? Besteht denn nicht schon eine Abhängigkeit, die uns an diese "neuen Medien" fesselt? Wird denn nicht davon ausgegangen, dass "neue Medien" immer funktioniern und uns genannte "Erfahrungswelten" öffnen, und zwar rund um die Uhr? Und was wenn nicht?
Und ...wäre es begrifflich nicht schöner, wenn man einfach sagen würde, dass man gerade vom Internet spricht und nicht vielleicht doch vom Radio?

2 Kommentare:

  1. Da gebe ich dir vollkommen recht. Ich habe zwar noch nicht in Frank Hartmanns Buch hineingeschaut, aber man stößt sich schon allein an dem Begriff der „Wirklichkeit“. Vermutlich hängt alles davon ab, wie und wozu man das Internet nutzt. Bei der privaten Nutzung – ich denke hier an die ganzen Partnerbörsen usw. – geht es doch eher um das Kreieren einer neuen Wirklichkeit, was auch immer das ist: die meisten neigen wohl zu einer positiveren Selbstdarstellung oder einer optimierten Form ihrer selbst. Die Frage ist wohl ohnehin: Nutzt man das Internet zum Austausch und zur Informationsgewinnung oder zur Kompensation vermeintlicher oder echter Defizite. Ist Letzeres der Fall, dann ist die Gefahr der Abhängigkeit und Vereinsamung wohl wesentlich größer. Es hängt eben doch von der eigenen Persönlichkeit und dem Charakter ab. Jemand der schüchtern und sozial gehemmt ist, wird wohl die Möglichkeiten des Internets eher zu schätzen wissen, als jemand mit einem festen sozialen Netz in der Realität. Obwohl ich mir bei Internet-Abhängigkeit nie sicher bin, was hier zuerst kommt: ist man ohnehin einsam, wählt dann dieses Medium und vereinsamt noch mehr oder ist man häufig im Netz, pflegt darum reale Kontakte nicht mehr und vereinsamt deswegen. Gleichzeitig hat das Internet Vorteile, die wir wohl gar nicht mehr recht zu schätzen wissen. Immerhin können wir in gewissem Maße auch ohne Internet an Informationen und Nachrichten gelangen, ganz anders in Gesellschaften mit Bücherverboten und Medienzensur. Da eröffnet das Internet sicher Erfahrungswelten, die einen neuen Blick auf die Wirklichkeit ermöglichen.

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  2. Ich finde es sehr spannend, dass, wie du schreibst, der Begriff "neue Medien" ja gar nicht so neu ist. Ich hätte tatsächlich auch nicht gedacht, dass dieser Begriff einmal auch für das Radio gegolten hat. Mir stellt sich die Frage, ob die Titulierung von neuen Technologien zur Kommunikation und zum Informationsaustausch (was, ohne es nachzulesen, für mich eine persönliche Definition von "Medien" ist) als "neue Medien", und die häufig damit einhergehende Dualität von Hochstilisierung uzum Wundermittel einerseits, und Warnung vor Gefährdungspotential andererseits, eine typische, sehr menschliche Reaktion auf neue Technologien ist.
    Interessant wäre es zu wissen, ab wann denn die "neuen Medien" nicht mehr das Label "neu" - mit allem daranb verhafteten Gedankengut, tragen. Ich vermute, dass dies geschieht, sobald eine Generation von Anfang an damit aufgewachsen ist, und das Medium wie selbstverständlich in den Alltag integriert hat...Unseren Schülerinnen und Schülern würde es vermutlich nicht in den Sinn kommen, das Radio als neue Technologie darzustellen, und selbst das Internet und web 2.0 ist nicht mehr "neu". Im Gegenteil, wahrscheinlich kann sich so mancher ein Leben ohne Facebook, Twitter und Skype gar nicht mehr vorstellen...

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